Trend ist was gefällt
Die Jagd nach den neuesten Trends kann beginnen. Aber was ist überhaupt ein Trend? Wie erkenne ich was Trend ist? Woran unterscheide ich einen wirklichen Trend von einer kurzlebigen Mode? Und was sagt mir, ob der Trend nicht schon wieder Schnee von gestern ist? Fest steht: Trends fallen nicht plötzlich einfach so vom Himmel. Sie sind Teil einer längeren Entwicklung und das Ergebnis von zahlreichen Einflüssen. Und diese langfristige Entwicklung, wird auch dieses Jahr aufs Neue deutlich. Denn: Neues gibt es vieles zu entdecken, aber wahre Revolutionen hat die Möbelwelt keine zu bieten.
Dennoch gibt es einige Strömungen, die sich in den letzten Jahren verdichten und als Trends bezeichnet werden können: Gemütlichkeit, Mid-Century, Leichtigkeit und natürliche Materialien sind Themen, die sich bei zahlreichen Herstellern wiederfinden. Die Möbel werden kleiner und filigraner, denn auch unser Wohnraum wird immer kleiner. Lockere Ensembles aus einzelnen Möbelstücken und leichtfüßige Einzelmöbel lassen selbst kleinste Räume offener und weiter wirken als massive Schrankwände und wuchtige Eckcouchen. Und so finden sich auf den Ständen der Hersteller Esstische mit massiven Platten, die auf filigranen Metallgestellen balancieren neben transparenten Leuchten aus farbigen Glas und Beistelltische aus luftigen Drahtgestellen. Die Eigenschaften dieser neuen Leichtigkeit finden sich auch in den Möbeln der 1940er bis 1960er Jahre wieder, der sogenannten Mid-Century-Zeit. Kein Wunder also, dass viele Möbel aus eben dieser Epoche in Re-Editions neu aufgelegt werden. In eine moderne Farbe getaucht und in den Proportionen auf den aktuellen Durchschnittsmenschen angepasst treffen die einst aus dem Sortiment gestrichenen Möbelstücke wieder den Nerv der Zeit. Aber auch Freunde der guten Haptik kommen bei den neuesten Möbeln nicht zu kurz. Natürliche und griffige Materialien sind in. Tische aus massive Baumscheiben stellen ihre unregelmäßige Wachstumsform in den Mittelpunkt anstatt sie zu begradigen. Strukturierte Holzoberflächen, rauer Beton, Materialien wie Kork oder Baumrinden und grobe Textilien sorgen gepaart mit dunklen Farbtönen für Gemütlichkeit.
„Das Haus – Interior on Stage“
Man nehme einen Kreativen mit international bekanntem Namen, eine 200m² große Standfläche, die Aufgabe ein Wohnhaus zu gestalten und gibt ihm ansonsten freie Hand. Von der Form, Struktur über die Farben und Möbel bis hin zum Licht und den Accessoires, alles kann der Designer im Sinne eines ganzheitlichen Entwurfs selbst bestimmen. Was dabei herauskommt? „Das Haus – Interior on Stage“ – ein begehbarer Wohnraum, einzuordnen irgendwo zwischen Designerportrait und visionären Entwurf.
In der diesjährigen fünften Auflage des Formats fiel die Wahl mit dem Produktdesigner Sebastian Herkner zum ersten Mal auf einen Deutschen. Die Neugier auf seine Umsetzung war groß, denn die Räume der letzten Jahre hatten tiefen Eindruck hinterlassen. „Ich möchte keine starren Mauern, sondern ein Haus, das Offenheit kommuniziert“, so erklärt Sebastian Herkner selbst seinen Ansatz.
Und so ist ein rundes, zu allen Seiten offenes und kommunikatives Haus entstanden, das im Kontrast zur allgegenwärtigen rechteckigen Architektur steht – und vor allem auch zur gängigen Messearchitektur mit ihren kubischen Standflächen. Es gibt kaum massive Wände. An Ihrer Stelle treten weiche und fließende Stoffe, Vorhänge aus Wohntextilien. Gitterartige Plissees und Paravants aus Perlen zonieren den Raum und sorgen doch für Transparenz. In einem zwiebelartigen Aufbau ordnen sich so die Wohnräume auf verschiedenen Ebenen um das Herzstück an, einem innenliegenden Garten mit Kieselboden, Grünpflanzen und einladenden Sesseln. Einzig Bad und Schlafzimmer fallen aus diesem Raster. Als intime Räume sind sie abgeschottet und haben einen rechteckigen Grundriss. Die Ausstattung der Räume besteht teils aus seinen eigen Möbelentwürfen und Leuchten, teils aus persönlichen Lieblingsstücken.
Nach einiger Zeit in der Masse der beeindruckten Besucher, verlassen wir das überfüllte Haus wieder. Denn trotz seiner Offenheit und Einsehbarkeit – oder vielleicht auch gerade deswegen – wirkt der Raum mit all den gezückten Kameras irgendwie beengend.
Living Interiors – innovatives Event oder wirres Sammelsurium
Weiter geht es zur nächsten Sonderschau „Living Interiors“, die als großes Highlight angekündigt war und im Wechsel mit der „Living Kitchen“ alle zwei Jahre stattfindet. Die Idee des Konzepts ist es die gesamte Einrichtungswelt ab zu bilden von Möbeln und Produkten über Materialien für Wand und Boden bis hin zu Licht und den angesagtesten Trends und richtet sich so vor allem an Endverbraucher. Ein vielversprechender Ansatz.
Und so reihen sich auf kleinen Parzellen eine bunte Welt aus verschiedensten Herstellern aneinander: Imitate von Steinwänden und Betonoptiken finden sich neben Whirlpools und Zementfliesen mit angesagten grafischen Mustern, verschiedene Wohnzeitschriften neben künstlichen Feuerstellen, grünen und sogar roten Mooswänden und kitschig funkelnden Kronleuchtern. Jede Parzelle scheint dabei die andere am Hunger nach Aufmerksamkeit zu übertrumpfen. Ein skurriles Bild an teils fragwürdigen Standdesigns und eigentlich guten Produkten, das man fast konzeptlos nennen möchte, wenn man nicht wüsste, dass es das oben erwähnte Konzept gibt. Und ob die Masse und Mischung der Produkte die Qualität des Events steigert? Scheint zumindest sehr fragwürdig. Mehr verwirrt als inspiriert stolpern wir also weiter in die angrenzenden Hallen.
Mehr Infos unter: Living Interiors
Zwischen den Ständen
Dass auch Zwischenräume wert sind, mit Phantasie gefüllt zu werden, zeigen die Installationen von Featured Edition. In Zusammenarbeit mit Stylepark entstehen so jedes Jahr ungewöhnliche Installationen mit künstlerischen Ansätzen auf den Flächen zwischen den großen Messeständen. Und so formieren sich Hocker zu einer stacheligen Kugel, Leuchten bilden einen Käfig und Tische transformieren sich in ihre Einzelteile oder tauchen ein in eine Welt aus ihren eigenen Spiegelbildern. So eröffnen sich abwechslungsreiche Blicke auf die Möbelwelt und lockern die starren Gefüge aus Stand und Gangfläche auf.
Auch das deutsche Tapeteninstitut überrascht mit einer witzigen Installation abseits der gewöhnlichen Ausstellungsdesigns. Vier skurrile Räume, Ton-in-Ton gestaltet, inszenieren eine bunte Welt aus vielen kuriosen Accessoires. Die Tapeten treten dabei in den Hintergrund und lassen Raum für die Message des Standes: das echte, bunte Leben.
Hochschulen und Jungdesigner – Die Designer von Morgen
Wer visionäres Design abseits der Norm und der großen Marken sucht, ist bei den Hochschulen und Jungdesignern gut aufgehoben. Studenten und Absolventen präsentieren hier ihre ausgefallenen Ideen: Prototypen und experimentelle Möbel finden hier genauso ihren Platz wie eine portable Badewannen aus Carbon-Fasern und aufladbare und somit von lästigen Steckern und Kabeln befreite LED-Leuchten. Dieses Jahr fand das Format seinen Platz zum ersten Mal nicht in einer eigenen Halle sondern über mehrere Hallen verteilt. Laut Veranstalter soll das die Jungdesigner näher an die Mitte des Geschehens holen. Tatsächlich aber wirken die jungen Leute mit ihren oft schmalen Standflächen eher an den Rand gedrängt und aus dem Kontext gerissen. Der innovative Geist ist verflogen, der die gewitzten Hochschulstände umgeben hat, die mit wenig Geld und cleveren Ideen beeindruckende Räume schaffen. Und auch die soziale Atmosphäre des kreativen Austausches hat keinen Raum sich zu entfalten. Man kann nur hoffen, dass diese Entscheidung des Standortwechsels nochmals überdacht wird und die Jungdesigner den Raum zurückbekommen, den sie verdienen.